Das Pilotprojekt in Istanbul

 

Hast du dich je gefragt, warum Türken keine Hunde haben?

Ist der Hund des Menschen bester Freund, so muss er wohl des Deutschen Seelenverwandter sein. Von Chihuahua, Yorkshire Terrier über Husky sieht man diverse Besitzer mit verschiedensten Rassen durch die Straßen ziehen. Doch ist es nur eine typisch deutsche Eigenart sich Hunde als Haustier zu halten? Wo könnte man dieser Frage besser auf den Grund gehen als in Istanbul – der am rasantesten wachsenden Stadt der Türkei und gleichzeitigen Welthauptstadt der Straßenkatzen und Hunde.

Bekannt als Bindeglied zwischen Europa und Asien, treffen hier Moderne und Tradition aufeinander - während sich zwischen ihnen unbeeindruckt dieser Gegensätze der Bosporus schlängelt. Vielleicht können uns die Istanbuler erklären, warum es für Türken eher unüblich ist Hunde als Haustiere zu halten.

Als ersten Schau- und Frageplatz wählen wir den Grand Bazaar, einen der größten überdachten Märkte der Welt. Wie erwartet ist es hier kein Problem, Menschen zu finden, die uns Rede und Antwort stehen wollen. Während Jan die Kamera einstellt und ich dafür möglichst still vor der Linse stehen muss, habe ich genug Zeit, mit den umstehenden Händlern in Blickkontakt zu treten. Wir lachen uns zu und machen Witze. Auch wenn manch einer kaum Englisch spricht, ist er doch beflissen seine Meinung kundzutun. Der Nachbarhändler kann meist mit seinen Englischkenntnissen aushelfen und fungiert als Dolmetscher.

Der erste, den wir befragen, sagt uns, dass der Grund ein religiöses Gesetz sei. Diese Antwort bekommen wir nicht nur von ihm zu hören. Für einen gläubigen Moslem, so erzählt man uns, ist die rituelle Waschung (Wudhu) sehr wichtig, um gereinigt zu Allah beten zu können. Diese Reinheit sei nicht mehr gegeben, wenn ein Hund in der Wohnung leben würde. Auf dem Land sei es zwar üblich einen Hund zu halten, allerdings nur auf dem Hof und nicht im Haus. Ein anderer Händler erklärt uns mit gebrochenem Deutsch, dass Türken große Familien hätten und somit keine Hunde als Wegbegleiter bräuchten.

 

Nach diesen ersten aufschlussreichen Antworten zieht es uns auf den Campus der Bilgi Universität. Hier hoffen wir weitere Antworten zu finden, die sich vielleicht von den im Baazar gesammelten unterscheiden. Wir haben das große Glück, Ege, eine Studentin der Uni, bereits zu kennen. Sie führt uns über ihren beeindruckend modernen und bunten Campus. Wie ein echter Türke sagen würde: çok güzel! Hier finden wir viele junge und aufgeschlossene Menschen, die uns ihre Sicht der Dinge schildern. Direkt fällt uns auf: Im Vergleich zu den Händlern im Bazaar scheinen die interviewten Studenten sich etwas differenzierter mit der Frage zu beschäftigen. Wir befragen eine Gruppe junger Männer, von denen zwei mit leuchtenden Augen erzählen, dass sie einen Hund besitzen. „He is like my son“ sagt einer von ihnen. Generell sind sie der Ansicht, dass alle Lebewesen dreckig seien. Der Mensch nicht weniger als der Hund. Jeder habe seine eigene Art sich zu waschen; der Hund mit der Zunge und der Mensch eben mit Seife. Was wäre der Mensch ohne Wasser und Seife? Wohl mindestens genau so dreckig wie ein Hund. Warum also soll der Mensch dem Hund privilegierter sein und das Recht zu Allah zu beten für sich alleine beanspruchen?

 

Abschließend können wir festhalten, dass es keine richtige oder falsche Antwort auf unsere Frage gibt. Es mag typisch für Deutschland sein, Hunde als Haustiere zu halten. Durch unseren kulturellen Hintergrund erscheint uns nichts Verwerfliches daran. Auch für die jüngere Generation der Türken ist es nicht mehr untypisch einen Hund als Freund neben sich zu wissen. Für manche Türken hat es religiöse Gründe keinen Hund in der Wohnung zu haben, für andere ist es einfach nicht üblich, sie kennen es nicht anders.

Wir erlebten die Menschen in Istanbul als sehr aufgeschlossen und freundlich und sind dankbar so ehrliche Antworten auf unsere Frage bekommen zu haben.

Nachdem wir wieder zurück in Deutschland waren, fragten wir uns: Ist es überhaupt richtig sich einen Hund in einer Mietswohnung in der Stadt zu halten? Sich nicht alleine zu fühlen auf Kosten einer artgerechten Haltung?

 

Eine Frage die nur jeder für sich beantworten kann.